Vorneweg

Als im Herzen des Nibelungenviertels ansässige Filmproduzentin wurde ich gefragt, ob ich nicht Interesse hätte, in einem Blog in halbwegs regelmäßigen Abständen Filme zu beschreiben. Die Vorstellung dahinter lautet wohl, dass ich als Mensch aus der Filmbranche viele Filme sehe und eine Meinung dazu habe. Und aus diesen Gründen habe ich dann auch erst mal dankend abgelehnt. 
Ich sehe Filme von einem generell sehr kritischen Standpunkt aus, gerade auch Filme von KollegInnen. Und das ist wohl gut so, nur kann und will ich meine KollegInnen nicht öffentlich kritisieren. Dafür gibt es FilmkritikerInnen, deren Arbeit ich respektiere und hier keinesfalls nachahmen will.

Dieser Blog ist also ein Versuch unter folgender Prämisse: 
Meine Texte sind rein subjektive Schlaglichter die keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben sondern in denen ich nur über Filme schreiben werde, die ich interessant fand, die mir „gefallen haben“. Kleine Empfehlungen aus dem Nibelungenviertel also, mit einem klaren Schwerpunkt auf Dokumentarfilm, die hoffentlich ein bisschen Lust auf österreichisches / europäisches Kino machen.

AUF DEM WEG ZUR SCHULE

von Pascal Plisson
3. März 2014 | C.W.

Der Dokumentarfilm begleitet 4 Kinder aus 4 Ländern auf ihrem manchmal abenteuerlichen, manchmal eher beschwerlichen Weg zur Schule. Alle Kinder bewältigen den Schulweg gemeinsam mit Geschwistern oder Freundinnen und immer wieder finden sich atemberaubende, lustige und vor allem berührende Momente.

Für mich am Beeindruckendsten: Anhand der kleinen Abenteuer oder Rückschläge, die die Kinder auf ihren Wegen erleben wird sichtbar, wie tief und eng die Beziehungen der Freunde und Geschwister sind. Weil sie sich täglich aufeinander verlassen müssen! 

Toll auch, wie der Regisseur Pascal Plisson mit seinen Protagonisten die Landschaft durchmisst und jedes Mal die Landschaft und die Weite, durch die sich die Kinder bewegen erfahrbar macht. Und wenn das kleine Mädchen in Patagonien erstmals selbst die Zügel des Pferdes halten darf, dann möchte man mitlachen vor Freude. 

Auf dem Weg zur Schule ist empfohlen ab 10 Jahren, sicherlich auch schon für 7 - 8 Jährige sehr gut geeignet. Ich habe den Film mit einem 11 Jährigen gesehen, der Sorgen hatte, es könnte fad und uncool werden. Der Film hat ihm jedoch sehr gut gefallen! Und mich sehr berührt und uns beide einander irgendwie ein Stück näher gebracht! 

Und allein die Tatsache, dass der Film seit Dezember 2013 im Kino läuft ist eigentlich eine: Empfehlung!
Läuft derzeit im Cinemagic, Village Cinema und Actors Kino 

www.praesens.com/kinoverleih/jetzt-im-kino1/on-the-way-to-school

MASTER OF THE UNIVERSE

von Marc Bauder
7. Jänner 2014  |  C.W.

Ich hatte nicht viele Informationen, bevor ich mir den Film „Master oft he Universe“ von Marc Bauder angesehen habe. Lediglich den Trailer hatte ich gesehen. – Und der ist wirklich sehr spannend, obwohl von Seiten der Gestaltung sehr reduziert. Und es ist ja immer so eine Sache mit Trailern: Ein guter Trailer bedeutet noch lange keinen guten Film. 

Ich war also gespannt, als ich im Kino saß. Wir mutmaßten, „haben die wohl wirklich den ganzen Film nur in einem einzigen Gebäude gedreht?“ Und ja, sie haben. Mehr oder weniger spielt die gesamte Doku in einem aufgelassenen Bankgebäude. Es gibt nur einen Protagonisten, Rainer Voss, der sehr eloquent in mehreren Interviewsequenzen sein früheres Leben als hochrangiger Investmentbanker Revue passieren lässt. Und wie! Voss erzählt so spannend, analysiert so anschaulich, kritisiert so viel am derzeitigen Bankensystem und lässt die Zuseher dennoch wissen, dass in seinen Augen die Lösung nicht in einer einfachen Formel wie „die Banken sind böse“ zu finden ist. 

Der Filmemacher setzt mutig alles auf eine Karte, reduziert auf ein paar Flugaufnahmen, Bankgebäude, leere Gänge und Interview. Dazu wenige Archivaufnahmen zum Thema Finanzkrise. Klingt scheinbar unspannend, ist es aber überhaupt nicht! Ja, und Zufall oder nicht, auch hier stammt der alles tragende Soundtrack wieder von B. Fleischmann.

Ein fesselnder Film – nicht nur für Doku-Fans, sondern für alle, die sich einmal so richtig über die wirklichen Hintergründe der Finanz- und Bankenkrise informieren wollen! 

Jetzt neu im Kino. Empfehlung! 

www.master-of-the-universe-film.de

DIE 727 TAGE OHNE KARAMO

von Anja Salomonowitz
14. Oktober 2013 | C.W.

Anja Salomonowitz hat bereits mit ihren früheren Filmen wie „Kurz zuvor ist es passiert“ oft die Grenzen des Genres Dokumentarfilm ausgelotet. In „727 Tage ohne Karamo“ riskiert sie wieder einiges, wenn sie ihre Erzählung entlang von mindestens 20 Paaren entlangführt. Paare, die versuchen ein normales Leben zu führen, obwohl jeweils eineR der Partner aus dem Nicht-EU-Ausland kommt. Das sind ungewöhnlich viele und funktioniert überraschend gut. Die verschiedenen Protagonisten geben sich quasi das Staffelholz der Erzählung weiter und auch verstärkt durch das Farbkonzept mit der immer wiederkehrenden Farbe Gelb und dem Soundtrack von Bernhard Fleischmann ergibt sich ein organisches Ganzes.

Fasziniert hat mich aber vor allem, wie selbstbewusst Anja Salomonowitz an die Interviews mit den ProtagonistInnen herangegangen ist: Manche Paare werden rein dokumentarisch beobachtet, manche Personen lesen Briefe vor oder durchbrechen die „vierte Wand“ indem sie ihre Arbeit unterbrechen und direkt in die Kamera sprechen. Hier wird sehr individuell auf die Protagonisten reagiert, es gibt kein Schema, das für alle passen muss und auch der Kunstgriff der Brecht´schen Verfremdung funktioniert in diesem spielerischen Ganzen sehr gut.

Und was am Ende bleibt ist der unweigerliche Eindruck, dass das österreichische Gesetz nicht zufällig für ein paar einzelne Paare Probleme aufwirft. Sondern dass dieses Gesetz so ist weil es einer Geisteshaltung entspricht, in der solche Beziehungen nicht erwünscht sind. 

www.anjasalomonowitz.com